Die Destructorin
Sie ist keine Schönheit, aber eigentlich ein durchaus interessantes Tier mit ungewöhnlicher Reproduktionsbiologie. Die Rede ist von Varroa destructor, der Varroamilbe, die als Parasit in Bienenvölkern lebt. Oval, braun, und als Spinnentier mit 8 Beinen ausgestattet. Seit gut 40 Jahren ist sie in praktisch allen Völkern der Westlichen Honigbiene anzutreffen und richtet beachtlichen Schaden an. Durch ihr Fressverhalten - sie knabbert erwachsene Bienen und auch Bienenbabys an - schwächt sie die Bienenvölker und gilt obendrein als Überträgerin verschiedener Viren, die Krankheiten der Bienen auslösen.
Nach der Phase eines Reifefraßes an erwachsenen Bienen ist die Milbe bereit zur Vermehrung, schlüpft in die Brutzellen und läßt sich mit "einmauern", sobald die Brutzellen zur Metamorphose der häutungsbereiten Bienenpuppen mit einem Wachsdeckel verschlossen werden. In dieser "verdeckelten Brut" nun vermehrt sich die Muttermilbe, erzeugt einen Milbensohn, der dann in Geschwisterpaarung die auf ihn folgenden weiblichen Jungmilben begattet. Wenn das alles ungestört innerhalb der Brutzelle der Bienenpuppe geschieht, können mit dem Schlüpfen der fertigen Biene sowohl die Milbenmutter wie auch die Milbentöchter aus der Brutzelle klettern, um dann - nach dem Reifefraß an erwachsenen Bienen - erneut in Zellen einzusteigen, sich einschließen lassen und das Spiel beginnt von vorne. Wir ahnen schon die exponentiell anwachsende rasante Vermehrungsdynamik der auf ihre Weise sehr erfolgreichen Milbe. Es können Tausende von Milben in einem Bienenvolk entstehen!
Allerdings ist die Milbenentwicklung daran gebunden, dass im Bienenvolk Brut vorhanden ist, denn ohne Brut keine Milbenvermehrung. Und hier liegt eine Chance, die Milbe in der Entwicklung zu bremsen. Wenn wir im Sommer - zum Beispiel durch Schwarmabgang - eine Brutpause im Volk haben, weil es etwas dauert, bis die neue Königin Eier legen kann, dann ist schon mal viel gewonnen. Wenn dann noch eine zweite Brutpause im Winter erfolgt, haben wir wieder die Chance, die Milbenanzahl nicht anwachsen zu lassen. Auf die Winterbrutpause haben wir als Imker kaum Einfluss, im Sommer aber können wir die Vermehrung der Bienenvölker durch Schwarmabgang zulassen oder gar fördern. Wir müssen also die weit verbreitete Verhinderung von Schwärmen durch "Brechen von Schwarmzellen" überdenken und vielmehr Brutpausen im Sommer durch Förderung des Teilungsgeschehens ermöglichen. Diese biotechnischen Maßnahmen können zweifellos beim Absenken der Milbenvermehrung von Nutzen sein.
Allerdings kommen wir bis auf weiteres nicht komplett ohne aktive Milbenbekämpfung aus, auch wenn wir in unserer Imkerei den Einsatz von Behandlungsmitteln schon stark reduziert haben. So können wir inzwischen fast vollständig auf den Einsatz des Standardbekämpfungsmittel Ameisensäure verzichten. Falls aktive Behandlung notwendig wird, setzen wir bevorzugt Oxalsäure ein, die nach allgemeiner Meinung als wesentlich bienenfreundlicher gilt. Die Oxalsäure gibt es als Tierarzneimittel in der Konzentration von 3% bis 3,5% und wird im brutfreien Zustand als Sprühlösung auf die Bienen aufgesprüht, als Träufellösung in die Wabengassen getropft oder über Verdampfungsgeräte als "Dampf" (Sublimat) in den Bienenkasten geleitet. Die Säureanwendung bewirkt, dass die Milben von den Bienen abfallen. Diese Maßnahmen erfolgen im Herbst/Winter. Solange im Frühjahr und Sommer Nektar/Honig eingetragen wird, sind diese Behandlungen nicht zugelassen.
Es gibt also eine gute Nachricht und eine schlechte Nachricht. Gut ist, dass wir etwas gegen den Parasiten unternehmen können, bevorzugt biotechnisch über Brutpausen. Die schlechte Nachricht ist aber, dass die gut gemeinte "Rettungsmaßnahme" der aktiven Varroabekämpfung möglicherweise die Bienen darin bremst, eigene Bekämpfungsstrategien zu entwickeln und erbfest zu etablieren. Wir können seit geraumer Zeit in den Völkern beobachten, dass die Bienen Fortschritte machen bei der bieneneigenen Varroabekämpfung. Dieses Varroasensitive Hygieneverhalten (VSH) ist ein gewaltiger Schritt, den wir als Imker nicht durch zu intensive Hilfsmaßnahmen ausbremsen dürfen. Eine nicht immer einfache Gratwanderung.